Die Kapitulation
Die in Blindheim eingeschlossenen 30 Bataillone hatten den ganzen
Nachmittag ausgehalten und den Kampf fortgesetzt. Durch den letzten
Vorstoß Marlboroughs waren sie völlig eingeschlossen worden.
Nun erst begann die Besatzung und ihr Führer die Gefahr zu erkennen.
Verzweifelt suchte Clerambault einen Ausweg aus der Umschließung
zu finden und gegen die Donau durchzubrechen. Dabei wurde er in den
Fluss abgedrängt und ertrank Die Führung ging an den Generalleutnant
Graf Blanzac über. Die Lage war entsetzlich, abgeschnitten,
ohne Befehle und umringt vom Feind, dazu nahte die Nacht. Da führte
Marlborough die englischen Bataillone nochmals zum Sturme vor. Das
Dorf wurde gleichzeitig von allen Seiten beschossen und die Granaten
setzten es bald an mehreren Stellen in Brand. Dem Grafen Blanzac
bleibt nur die Wahl sich zu ergeben oder sich zusammenschießen
zu lassen. Aber noch will er von Ergebung nichts wissen. Immer mehr
Häuser und Scheunen brennen. Es entspinnt sich ein mörderischer
Kampf, in dem es vor allem gilt, sich des Hartnäckig verteidigten
Friedhofs zu bemächtigen. Wieder erscheinen um weiteres Blutvergießen
zu vermeiden Unterhändler im Dorf um die Besatzung zu überreden
freiwillig die Waffen niederzulegen, da Marlborough mit 40 Bataillonen
und 60 Kanonen vor Blindheim stehe, der Rest von Tallards Armee auf
der Flucht, das Heer des Kurfürsten und Marsins in vollem Rückzug
begriffen sei und man daher von keiner Seite Hilfe zu erhoffen habe.
Als Blanzac immer noch zögerte sich zu ergeben, erbietet sich
der englische Offizier ihn auf Ehrenwort vor das Dorf hinauszubegleiten,
damit er sich mit eigenen Augen von der Wahrheit des Gesagten überzeuge.
Tief erschüttert von dem furchtbaren Schauspiel das sich ihm
bot, kehrte er in das Dorf zurück, wo nun ein Kriegsrat einstimmig
sich für die Übergabe auf Gnade und Ungnade ausspricht.
Da auch die Truppen beginnen den Gehorsam zu verweigern, muss sich
Blanzac entschließen, die Waffen zu strecken.
Um 8 Uhr abends gab sich die gesamte Besatzung, 27 Bataillone und
12 Eskadronen, im ganzen etwa 9000 Franzosen in Gefangenschaft. Das
stolze Regiment Navarra zerbrach seine Waffen und schleuderte seine
Fahnen in die Flammen eines brennenden Hauses. So fand der Kampf
ein Ende, als bereits die Nacht ihre Schatten warf.
Eine der blutigsten der neueren Zeit war ausgekämpft zum Ruhme
der siegreichen Alliierten mit Prinz Eugen für die kaiserlichen
Truppen sowie dem englischen Herzog Marlborough an der Spitze – und
zum unberechenbaren Schaden für die besiegten Franzosen und
Bayern; doch für beide mit ungemein großen Opfern. Diese
Elendsfinale forderte auf französische-bayerischer Seite 13.000
Tote und Verwundete. Die Verbündeten hatten nach den amtlichen
Listen ihren Sieg mit 4635 Toten und 7676 Verwundeten (12311 Mann)
bezahlt. Dabei fielen den Siegern in die Hände: 12.000-13.000
Gefangene, 135 Fahnen und Standarten, 17 Paar Pauken, 40 Feldgeschütze
auf dem Schlachtfeld, sowie 50 schwere Geschütze und Mörser,
die bei der Verfolgung weggenommen wurden. Dazu kamen noch 3600 Zelte,
5400 Proviantwagen, die Feldkanzlei, die Feldapotheke, zwei Schiffsbrücken
und die Kriegskasse – sowie 34 Kutschen mit französischen Damen,
die dem Heer gefolgt waren.
Hauptleidtragende aber waren die Bewohner der im Schlachtfeld liegenden
Dörfer. Blindheim, Unterglauheim, Wolpertstetten, Berghausen,
Schwennenbach, Oberglauheim und Lutzingen lagen in Schutt und Asche,
das Vieh getötet, die Ernte vernichtet. Den Menschen war jegliche
Lebensgrundlage entzogen.
Der Anblick des Schlachtfeldes mit den Bergen von Leichen und Verwundeten,
der Masse getöteter und verstümmelter Pferde war grässlich.
In der Kgl. Staatsbibliothek in München wird der Bericht eines
Augenzeugen aufbewahrt, worin es heißt: „Es ist nichts Entsetzlicheres
zu sehen als das Dorf Blindheim, in dem solches mit Toten und halbabgebrannten
Körpern angefüllt, welches das gräulichste Spektakulum
der Welt ist, ohne zu reden von dem Kreischen und Heulen der Sterbenden,
welches die ganze Nacht an der Aktion, die wir auf der Wallstatt,
die Lebendigen mit den Toten, zugebracht haben hören müssen.“
Zur Bestattung der etwa 14.000 Toten mussten Leute bis von Ulm,
Nördlingen und Augsburg hergeholt werden. Nach zeitgenössischen
Berichten lagen 15 Tage nach der Schlacht noch die Hälfte der
Menschen und Pferde verwesend auf den Feldern, was bei der damaligen
Hitze einen solchen Gestank verursachte, dass man die Donauwörther
Straße gar nicht begehen konnte, während von weither Hunde
in großer Zahl angelockt wurden…
Die meisten der Verwundeten und Verstümmelten mussten hilflos
auf dem Schlachtfeld liegen bleiben, bis der Tod sie von ihrem Leiden
erlöste. Briten und Iren, Dänen und Holländer, Hannoveraner
und Braunschweiger, Preußen und Hessen, Württemberger
und Österreicher, Bayer und Franzosen erlebten hier, vereint
im Todeskampf ihre letzten Stunden und Minuten.
Aus dem Archiv der Gemeinde Blindheim |